Mittwoch, 14. August 2013

Suzhou - Das "Venedig des Ostens"? (13.8.2013)

Eigentlich noch völlig erledigt von meinem gestrigen Ausflug, quäle ich mich heute ziemlich abrupt aus den Federn. Mein Handy hat mich nicht geweckt und ich habe gerade Mal eine Viertel Stunde um abfahrbereit zu sein. Ich bin auch tatsächlich dann pünktlich fertig, ich will nämlich mit Hetty und Tobi zumindest bis zu Metro-Station fahren, damit ich mir den Weg schonmal sparen kann. Laufen werde ich heute nämlich noch genug! Ich fahre wieder mit der Metro zur Hongqiao Railway Station, diesem ätzenden Gebäude und meine selbst auferlegte Tagesaufgabe für heute lautet:"Finde dein Gleis ohne einen einzigen Chinesen fragen zu müssen!!!" Wieder habe ich eine dieser chinesischen Zugfahrtkarten in der Hand, aber zumindest weiß ich jetzt welche Nummern was bedeuten. Ich finde mein Gleis dann auch definitiv besser als gestern und auch ohne jemanden fragen zu müssen, aber nicht auf dem direkten Weg. Irgendwo hab ich mich zwischendurch wieder verfranzt. Dieses Gebäude ist aber auch verflixt!!! :-D 
Heute fahre ich mit dem Zug nach Suzhou. Das liegt 80km westlich von Shanghai (also quasi noch hinter Taicang) und die Zugfahrt dauert ca. 30 Minuten. Die Einwohnerzahl liegt hier bei wenigen 750000. Im Zug schlafe ich direkt wieder ein. eigentlich nicht so schlau an zweinTagen hintereinander solche Touren zu machen, aber anders wäre es gar nicht mehr gegangen...meine Zeit hier läuft langsam aber sicher ab. Als der Zug abbremst, weiß ich nicht ob ich jetzt schon aussteigen muss, also frage ich kurz meine Sitznachbarin, eine junge Chinesin. Sie ist sehr freundlich, spricht gutes Englisch, ich muss noch nicht aussteigen, erst eine Station später und wir unterhalten uns ein wenig. Auch sie ist auf dem Weg nach Suzhou, um sich mit ihrem Freund zu treffen, denn heute ist in China Valentinstag!!! Deshalb kramt sie auch, kurz bevor wir aussteigen, in ihrer Handtasche und schenkt mir zum Abschied einen Lolli :-D Wie lieb!!! Und wie passend, denn heute ist nicht nur chinesischer Valentinstag, sondern auch mein Namenstag. es lebe die Hl. Wiegberta!!! :-D :-D :-D
Als ich das Bahnhofsgebäude in Suzhou verlasse, bin ich auf ähnlich stressige Verhältnisse wie gestern in Hangzhou gefasst. Muss ich aber gar nicht! Das Bahnhofsgelände ist sehr weitläufig und wohl geordnet und der Verkehr hält sich in Grenzen. Ich verlasse den Bahnhof am Südausgang, überquere direkt den Kaiserkanal und mache mich nach Osten auf den Weg zur Hauptstraße der Stadt, der Renmin Lu. Diese gehe ich dann in südlicher Richtung entlang und sehe in einiger Entfernung auch schon mein erstes Ziel für heute: die Nordklosterpagode.



Erbaut wurde sie um 1150. Ein Kloster besteht hier nicht mehr. Mit imposanten 76m gilt sie als die höchste Pagode südlich des Yangtse und ist ein vorzüglicher Aussichtspunkt. Und da ich Aussichtstürme u.a. sehr mag, muss ich natürlich auch da hoch! 9 Etagen und mehr als 200 Stufen später (ich hab versucht genau zu zählen, aber bei abermals mehr als 40 Grad lässt meine Konzentration, wie ja schon bekannt, zu wünschen übrig) komme ich völlig erledigt oben an und bleibe auch erstmal Stunde dort oben sitzen, erhole mich, verschaffe mir einen Überblick über die Stadt und mache Fotos. Hier ist die Renmin Lu zu sehen, mit dem Weg, den ich bis dahin zurückgelegt habe. Links oben im Bild ist der Bahnhof noch zu sehen.

Links unten zum Fuß der Nordklosterpagode liegt noch das Seidenmuseum von Suzhou. Laut Reiseführer ein "Must-See" hier. Ich spare mir das allerdings, weil ich ja schon die Besichtigung der Seidenfabrik in Peking hatte. 
Nach einer halben Stunde mache ich mich an den Abstieg. Hitze hin, Hitze her, es hilft ja alles nix. Wenn ich was sehen will, muss ich das in Kauf nehmen! Also schleppe ich mich die Renmin Lu weiter nach Süden. Später biege ich nach links in die Yinguo Xiang und nochmal später rechts in die Dacheng Fang und steuere den Tempel des Mysteriums an. Der Tempel wurde im 3. Jh. n. Chr. unter der Jin-Dynastie gegründet und im Laufe seiner langen Geschichte mehrfach restauriert. Die Anlage umfasst mehrere reich verzierte Hallen. der Tempel ist außerdem noch das einzig erhaltene Beispiel der Song-Architektur in Suzhou. 


Mysteriös ist es hier allerdings nicht. Der Tempel liegt an einem Platz, wo früher der alte Basar von Suzhou stattfand. Ein lautes Vergnügungsviertel mit reisenden Schaustellern, Akrobaten und Schauspielern. Die heutige Umgebung dort ist noch genauso geräuschvoll, die Schausteller drehen einem aber eher eine gefälschte Designeruhr an, als dass sie wie ihre Vorgänger Kunststücke mit drehenden Tellern auf dem Kopf vollführen würden. Außerdem liegen um den Platz herum kleine Läden, die allerlei Nippes verkaufen. Laute Musik dröhnt aus diesen Läden und der ein oder andere Verkäufer versucht sich als Marktschreier mit Mikrofon.  
Deshalb entschließe ich mich auch schnell, diesen Ort wieder zu verlassen und mache mich über die Einkaufsstraße Guanqian Jie weiter in Richtung Süd-Ost zu den Zwillingspagoden. Ab der Kreuzubg zur Lindun Lu werde ich nachlässig mit dem Blick auf die Karte. Weil ich die Spitzen der Zwillingspagoden schon sehen kann, meine ich, ich würde auch so dort hinfinden. Außerdem bin ich froh, dass ich die Karte mal nicht in der Hand halte, weil alles klebt und nass ist, weil es so heiß ist. Das hat aber nur zur Folge, dass ich wie bekloppt um die beiden Zwillingspagoden herumirre (die sind nämlich von einer Mauer umgeben und man kommt nur von einer Seite dran) und mich in irgendwelchen Haushinterhöfen wiederfinde. Das hat man dann davon! Irgendwann finde ich dann entnervt den Eingang. Der Blick auf die beiden Zwillinge entlohnt mich dann aber. Und ich habe diesen Ort komplett für mich alleine. Alle anderen Leute sind wohl nicht so crazy und bleiben bei der Hitze zu Hause. Deshalb setzte ich mich vor den Zwillingspagoden in den Schatten, genieße die Ruhe und erhole mich! 


Trotz meiner Verschnaufpause wird mir eine Sache völlig klar: ich mag nicht mehr laufen und ich brauche eine Air Condition! Also schmiede ich dort im Schatten der Zwillingspagoden den Plan, mit dem Bus zu fahren. Das hab ich hier in China noch gar nicht gemacht... muss man ja auch mal erlebt haben! Also suche ich mir die nächste Bushaltestelle und wähle als erstes die Linie 5. Dabei achte ich darauf, dass im Anzeigendisplay eine Eisblume vor der Busnummer zu sehen ist. Das bedeutet nämlich, dass der Bus über eine Klimaanlage verfügt. Linie 5 umfährt die Stadt im Westen und im Osten und man bekommt einen guten Überblick vom Stadtbild, und das für umgerechnet 2,5 Cent!!! Suzhou wird gerne auch als "Venedig des Ostens" bezeichnet. Aber wie ich bei meiner Stadtrundfahrt feststellen muss, weckt diese Bezeichnung nur falsche Vorstellungen. Natürlich wird die Stadt von Kanälen durchzogen, aber die Stadt liegt weder auf Inseln im Meer, noch spielen die Kanäle für den innerstädtischen Personentransport eine Rolle. Und auch der Flair ist nicht der gleiche!!! 
Anschließend überlege ich mit, mit der Linie 2 noch bis zum Tigerhügel ca. 4 km westlich außerhalb der Stadt zu fahren. Da ich aber die Busfahrpläne nicht lesen kann, weil ausschließlich auf chinesisch, fahre ich glatt in die falschenRichtung, nach Osten, und lande, statt am Tigerhügel, am Expocenter. :-D
Macht aber nix, ich muss ja nicht laufen, Geld kostet es auch nicht wirklich und ich hab wenigstens meine Air Condition! Nur als ich wieder in der Stadt bin, hab ich weder Zeit noch Lust noch bis zum Tigerhügel zu fahren. Also beschließe ich, mir noch einen der zahlreichen Gärten hier in Suzhou anzusehen. Denn auch wenn Suzhou nicht das "Venedig des Ostens" ist... der größte Schatz der Stadt ist die Fülle an klassisch-chinesischen Gärten! Ich schnappe mir also ein Taxi, zeige dem Taxifahrer (ich habe heute den Reiseführer von Hetty und Tobi dabei, wo die Sehenswürdigkeiten auch in chinesischer Schrift stehen, sehr praktisch!!! Hätte ich das nur mal mit dem Busfahrer in Line 2 gemacht...) wo ich hin will. Er bringt mich zum "Garten des Meisters der Netze" (die Gärten haben hier alle so geile Name: "Garten der azurblauen Welle", "Garten des zerknirschten Verwalters/törichten Politikers" :-D, kein Scherz, "Garten des Ehepaars" usw.). Als ich ihn bezahlen will, habe ich nur noch einen 100 RMB-Schein. Ich muss aber nur 11 bezahlen! Er ärgert sich und lässt mich kurzerhand alleine im Taxi sitzen, saust mit meinen 100 RMB in den nächsten Laden, um zu wechseln. Und ich überlege kurz, wenn jetzt einer von uns beiden abhauen würde, wer dann wohl das bessere Geschäft gemacht hat: er mit den 100RMB oder ich mit der Taxischleuder?!?!?! I'm not sure!!! ;-) 
Es ist halb 5, also schnell in den Garten. Denn um 5 machen fast alle Sehenswürdigkeiten zu. Deshalb habe ich mir auch diesen Garten ausgesucht, denn er ist sehr klein, so dass ich in einer halben Stunde gut alles sehen kann. Auch dieser Garten entstand während der Song-Dynastie von 1174 bis 1189. er gilt als der eleganteste Garten Suzhous mit vornehmen Wohngebäuden im östlichen Teil. Die Anordnung von Wasserfläche (300qm) und Pavillons, die mit Wandelgang verbunden sind, dazu die Höfe und "inneren Gärten" hinterlassen einen weitgehenden Eindruck.


Danach will ich mich eigentlich in Ruhe auf den Weg zurück zum Bahnhof machen, hatte eigentlich vor mir ein Taxi zu nehmen... Als ich aber hinter dem Ausgang des Garten, durch die schmalen Gassen wieder zurück auf die Straße komme, hat sich eine grundlegende Sache verändert: wo bitte kommen auf einmal die ganzen Leute her??? Alles ist voll, ein Riesenverkehr. Es ist ganz offensichtlich Rushhour  oder es kommen endlich mal alleräußerste den Häusern, weil es sich langsam abkühlt (wobei man von AbKÜHLEN) bei knapp unter 40 Grad auch nicht unbedingt sprechen kann)  Auf den Straßen geht nichts mehr! Polizisten versuchen erfolglos den Verkehr zu regeln. Alles besteht nur aus Fußgängern, Rollerfahrern, Fahrradfahrern, Autos und einem endlosen Gehupe. 20 Minuten lang versuche ich ein Taxi zu bekommen: no chance! Und selbst wenn ich dann eins hätte... Wir würden überhaupt nicht vom Fleck kommen. Es ist halb sechs, in 40 Minuten geht mein Zug und ich muss noch ans andere Ende der Stadt! Wenn ich das noch schaffen will, bleibt mir nur die Möglichkeit mit dem Bus zu fahren. Die haben nämlich teilweise eine eigene Busspur und sind die einzigen, die hier etwas vorwärts kommen. Also krame ich wieder den Reiseführer mit der chinesischen Schrift raus, suche mit die nächste Bushaltestelle, steige in jeden Bus ein, der vorbeikommt, halte meinen Finger beim Busfahrer unter das Schriftzeichen für Bahnhof und werde aus 3 Bussen erstmal wieder rausgeschmissen. Beim ersten, weil ich sonst wieder in die falsche Richtung fahren würde. Das macht mir der Busfahrer wild gestikulieren klar. Ok, also auf die andere Seite. Die nächsten beiden verstehen mich nicht, wollen mich nicht verstehen oder fahren vllt. wirklich nicht zum Bahnhof, keine Ahnung, ich versteh ja nix! Mitnehmen tun sie mich jedenfalls nicht! Der nächste Bus scheint dann Richtig zu sein, jedenfalls nickt der Busfahrer und deutet auf die Buskasse, wo ich meinen Fahrschein bezahlen soll. Klar, kein Ding, mach ich ja. Ich hab nur wieder mal kein "Kleingeld", nur 10 RMB. Der Bus kostet aber nur 2 und Wechselgeld hat der Busfahrer nicht. Und als ich schon Anstalten mache, den Bus wieder zu verlassen, weil ich davon ausgehe, dass ich wieder rausgeschmissen werde, winkt mich der Busfahrer durch, schließt die Tür und fährt einfach weiter. So ein lieber Mann!!! Ich bin wirklich dankbar! Während der Fahrt kann ich dann beobachten, dass die Fahrkartenkasse gar kein elektronisches Gerät ist, sondern mehr so einer Spendenbox von den SOS-Kinderdörfern oder so was ähnelt. So aus Plexiglas und unten dann wie eine Art Save dran. Das Ding registriert jedenfalls nicht, wie viel Geld genau der Fahrgast dort hineinwirft. Deshalb krame ich dann doch noch mal in meinem Geldbeutel und kratze alles Mini-Kleingeld zusammen, so dass ich auf fast 2 RMB komme und die schmeiße ich dem Busfahrer dann doch noch dort ein. Puh, jetzt kann ich nur noch hoffen, dass der Busfahrer mir keinen Quatsch erzählt hat bzw. mich auch wirklich verstanden hat und auch wirklich zum Bahnhof fährt. Deshalb verfolge ich auf dem Stadtplan die genauer Route, die er fährt. wenn ich nämlich jetzt noch im falschen Bus sitze, kann ich meine Rückfahrt um 18:19 Uhr vergessen! Und so entspanne ich mich erst, als ich das Bahnhofsgebäude sehe! Das Gleis ist an diesem, vergleichsweise kleinen Bahnhof, schnell gefunden. Und selbst in Hongqiao breche ich meinen Rekord und brauche nur 3 Minuten aus dem Zug bis in die Metro. Ich werde besser!!! ;-)
Abends gehen Hetty, Tobi und ich dann noch (ein letztes Mal, denn wie gesagt, die Zeit in Shanghai läuft langsam aber sicher auch ab, und an den nächsten beiden Abenden schaffen wir es nicht) gemeinsam Essen. Gut bürgerlich in "Papas Bierstube" mit Bier, Bratkartoffeln und Spiegelei, Currywurst und Strammen Max :-D 
Da fühlt man sich FAST wie zu Hause!!!






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